/ Piano/Vocal/Guitare (PVG)
SKU: HL.14078598
SKU: HL.49005163
ISBN 9790001055376. German.
SKU: BR.KM-2483-07
ISBN 9790004502587. 9 x 12 inches.
Friedrich HolderlinMnemosyne Ein Zeichen sind wir, deutungslos,Schmerzlos sind wir und haben fastDie Sprache in der Fremde verloren.Wenn namlich uber MenschenEin Streit ist an dem Himmel und gewaltigDie Monde gehn, so redetDas Meer auch und Strome mussenDen Pfad sich suchen. ZweifellosIst aber Einer, derKann taglich es andern. Kaum bedarf erGesetz. Und es tonet das Blatt und Eichbaume wehn dann nebenDen Firnen. Denn nicht vermogenDie Himmlischen alles. Namlich es reichenDie Sterblichen eh an den Abgrund. Also wendet es sich, das Echo,Mit diesen. Lang istDie Zeit, es ereignet sich aberDas Wahre. Wie aber Liebes? SonnenscheinAm Boden sehen wir und trockenen StaubUnd heimatlich die Schatten der Walder und es bluhetAn Dachern der Rauch, bei alter KroneDer Turme, friedsam; gut sind namlich,Hat gegenredend die SeeleEin Himmlisches verwundet, die Tageszeichen.Denn Schnee, wie MaienblumenDas Edelmutige, woEs seie, bedeutend, glanzet aufDer grunen WieseDer Alpen, halftig, da, vom Kreuze redend, dasGesetzt ist unterwegs einmalGestorbenen, auf hoher StrassEin Wandersmann geht zornigFern ahnend mitDem andern, aber was ist dies?Am Feigenbaum ist meinAchilles mir gestorben,Und Ajax liegtAn den Grotten der See,An Bachen, benachbart dem Skamandros.An Schlafen Sausen einst, nachDer unbewegten Salamis steterGewohnheit, in der Fremd, ist grossAjax gestorben,Patroklos aber in des Koniges Harnisch. Und es starbenNoch andere viel. Am Kitharon aber lagEleuthera, der Mnemosyne Stadt. Der auch, alsAblegte den Mantel Gott, das Abendliche nachher losteDie Locken. Himmlische namlich sindUnwillig, wenn einer nicht die Seele schonend sichZusammengenommen, aber er muss doch; demGleich fehlet die TrauerIn meinen Holderlin lesen-Stucken ging es mir darum, Wege zu finden, die gewaltigen Sprachstrukturen Holderlins so in die zeitliche Form der Musik zu integrieren, dass sie Funktionen der musikalischen Form ubernehmen, ohne in ihrer Eigenkraft (sowohl akustisch wie auch im Sinne expressiver ,,Deutung) im geringsten geschmalert zu werden. Das hiess zunachst: Sprechen, nicht singen! - Aber das wurde nur bedeuten, dass es nicht um die Musikalisierung von Text geht; ebenso wichtig ist es, dass es auch nicht um melodramatisch ,,erzahlende Musik geht. Sondern: Zwei autonome Kunste durchdringen sich auf diaphane Weise, ohne sich zu uberformen oder auszuloschen; es handelt sich um einen Dialog, nicht um eine Vereinnahmung durch Hierarchisierung.Sind wir uns selbst zu einem ,,Zeichen...deutungslos geworden, wie es Holderlins Anfangszeilen sagen, so erscheinen auch die Zeichen, die wir selber setzen, sich immer mehr einer Deutbarkeit zu entziehen. Mein Stuck, das den vollstandigen Text von Holderlins Mnemosyne integriert, stellt auf seine Weise die Frage nach dem ,,Zeichen. ,,Was ist dies? Klang? Wort? Schrift? Wie sind die Grenzen, die Ubergange, die gegenseitigen Beeinflussungen der einzelnen Zeichenregionen? Was liegt ihnen zugrunde? Worte und musikalische Zeichen bewegen sich im Medium der Zeit; Schriftzeichen erscheinen zunachst als Verraumlichung, aber man muss daran erinnern, dass der Vorgang des Schreibens - wie er in der ostasiatischen Kalligraphie zu hochster Kunst entwickelt wurde - auch zeitlichen Charakter hat. Mnemosyne - die Kraft des Sich-Erinnerns - schafft die Zeichen, indem sie Gestalten durch Wiederholung fixiert und so aus dem endlosen Fluss der wahrgenommenen Vorgange herauslost. Die so entstehende artikulierte Zeit schafft wiederum durch das Wechselspiel von fixierten und sich bewegenden Gestalten das Bewusstsein fur differenzierte Formablaufe. Der Formverlauf meines Stuckes zeichnet solche genetischen Prozesse nach. Der Horer wird schnell merken, dass die Wortzeichen oft einer zuerst erscheinenden musikalischen Klangwelt entspringen (ich stimme Walter Benjamin zu, wenn er sagt, dass die Sprache in ihrer grundlegenden Schicht expressiven - und nicht darstellenden - Charakter hat). Die Schrift auf der Leinwand folgt zunachst den sprachlichen Aktionen der Stimme, erhalt dann aber auch eigene Teile der Form zugeteilt, in der sie sich als autonomes Zeichen darstellt. In der durch die drei Strophen Holderlins notwendigerweise dreiteiligen Gesamtform gibt es immer wieder Abschnitte, in denen entweder das musikalische Geschehen oder die Sprachzeichen des Gedichtes oder das Sich-Schreiben der Schrift im Vordergrund stehen; der Komponist versteht sich also hier auch als ,,Zusammensetzer der in unserer Wahrnehmung so verschieden besetzten Zeiten des Schreibens, Sprechens und Musikhorens. Es bilden sich im Verlauf des 40-minutigen Stuckes auch Grenzfalle, wie ,,stumme Musik oder total musikalisierte - ihrer Verstehbarkeit beraubte - Textrezitation. Auch das Singen von Text - in meinen bisherigen Holderlinstucken strikt vermieden - wird als ausserste Moglichkeit gegen Ende des formalen Prozesses zugelassen. An einigen Stellen zeigt die Musik sozusagen direkt auf sich selbst. Es sind Formzustande, die ich in meinem ,,Shir Hashirim als ,,Koan bezeichnet habe: ,,endlose Wiederholungen einer zeichenhaften Konstellation, bei jeder Wiederholung minimal verandert - so wie ein Kalligraph sein Schriftzeichen bei jedem Malvorgang unwillkurlich verandert und neu schafft. Steht im ersten Teil der Grossform der Aspekt des Abstrakten, des Unsinnlichen im Vordergrund, so wird im zweiten Teil Bildhaftigkeit als Eigenschaft nicht nur der Sprache, sondern auch der Musik betont: die Landschaft, halb schnee - halb blutenbedeckt, die der Wanderer ,,zornig durchstreift. Am Ende dieses Teils wird das Schriftbild selber zur Landschaft, die der Leser/Horer durchwandert. Er wird im dritten Teil durch einen Verwandlungsprozess zu den ekstatischen Ursprungen des holderlinschen Dichtens gefuhrt, und damit zur explizit musikalischen Ebene: Die Totenklage um Hektor und Ajax wird zum ,,dithyrambischen Tanz, wie es Holderlins Schlusszeile entwirft: ,,... darum fehlet die Trauer. Es bleibt noch nachzutragen, dass ich den in der Stuttgarter Ausgabe der Werke Holderlins in drei Versionen abgedruckten Text in einer Mischversion verwendet habe: die erste Strophe aus der 2. Fassung, die zweite mit Abweichungen und Widerspruchen aus allen drei Fassungen, und die dritte Strophe aus der 3. Fassung. (Hans Zender) CD:Salome Kammer (voice), Klangforum Wien, cond. Hans ZenderKairos 0012522KAIBibliography:Al lwardt, Ingrid: Nach-Lese. Holderlins Gesang im Resonanzraum der Musik Hans Zenders, in: Hans Zender. Vielstimmig in sich, hrsg. von Werner Grunzweig, Jorn Peter Hiekel und Anouk Jeschke (= Archive zur Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, Band 12), Hofheim: Wolke 2008, pp. 43-60.Fuhrmann, Wolfgang: Zender lesen. Die Frage nach dem Zeichen in ,,Mnemosyne, in: ,,Ein Zeichen sind wir, deutungslos. Holderlin lesen, Ikkyu Sojun horen, Musik denken, hrsg. von Violetta L. Waibel, Gottingen: Wallstein 2020, S. 194-211Pragungen im Pluralismus. Hans Zender im Gesprach mit Jorn Peter Hiekel, in: Orientierungen. Wege im Pluralismus der Gegenwartsmusik, hrsg. von Jorn Peter Hiekel (= Veroffentlichungen des Instituts fur Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt, Band 47), Mainz u. a.: Schott 2007, pp. 130-137.Mosch, Ulrich: Ultrachromatik und Mikrotonalitat. Hans Zenders Grundlegung einer neuen Harmonik, in: Hans Zender. Vielstimmig in sich, hrsg. von Werner Grunzweig, Jorn Peter Hiekel und Anouk Jeschke (= Archive zur Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, Band 12), Hofheim: Wolke 2008, pp. 61-76.Schmidt, Dorte: Erfahrung und Erinnerung. Kompositorisches Material zwischen Klang und Bedeutung in der Kammermusik des spaten 20. Jahrhunderts, in: Mnemosyne. Zeit und Gedachtnis in der europaischen Musik des ausgehenden 20. Jahrhunderts, hrsg. von Dorothea Redepenning und Joachim Steinheuer, Saarbrucken: Pfau 2006, pp. 41-58.Zenck, Martin: Holderlin lesen seiner Stimme zuhoren. Holderlin-Lekturen von Klaus Michael Gruber, Hans Zender und Bruno Ganz, in: Neue Zeitschrift fur Musik 172 (2011), Heft 6, pp. 25-29.Zender, Hans: Zu meinem Zyklus Holderlin lesen, in: Mnemosyne. Zeit und Gedachtnis in der europaischen Musik des ausgehenden 20. Jahrhunderts, hrsg. von Dorothea Redepenning und Joachim Steinheuer, Saarbrucken: Pfau 2006, pp. 26-40.World premiere: Witten (Wittener Tage fur neue Kammermusik), May 4, 2001.
SKU: M2.MOS-69449-01
ISBN 9790203755685.
1955 erschien aus der Hand der franzosischen Nonne Carmen Bernos de Gaszold ein Gedichtband unter dem Titel Prieres dans l'Arche - Gebete aus der Arche. Diese Gebete werden den Tieren in den Mund gelegt, die mit Noah, in der drangvollen Enge der Arche vereint, das Ende der Sintflut erwarten. Die Dichterin folgt einer Tradition - man denkt an Asop, La Fontaine und Goethe - wenn sie im Wesen der Kreaturen Spiegelungen menschlicher Schwachen, Fehler und Tugenden erkennt. Denn die in der Wasserwuste gefangenen Tiere reden so fromm, furchtsam, selbstgerecht und banal, wie es menschlich ware. Und auch das Allzumenschliche - Hoffart, Leichtsinn, Neid - kommt zu Wort. Nur dass die Ichbefangenheit der betenden Tiere ihrer Unschuld keinen Abbruch tut. Ihre bedingte und bedrangte Natur findet Gedanken, die uns ein sympathisierendes Lacheln abgewinnt. Der Zyklus schien mir zur Vertonung geeignet, weil er ein religioses Thema unpratentios und originell vortragt und ein Stuck ermoglicht, das die ubliche Trennung zwischen weltlich und geistlich uberschreitet und Konzertsaal und Kirche in Anspruch nehmen kann. Zur Besetzung: Der Frauenchor muss aus den vier ublichen Stimmlagen 1. und 2. Sopran, 1. und 2. Alt bestehen, wobei auch noch Stimmteilungen vorkommen. In Nr. 9 Gebet der Taube wird noch ein (aus dem Chor zu bildendes) Soloquartett gebraucht. Der Instrumentalpart besteht aus einer Oboe und einem Streicherquintett (1. und 2. Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass). Die Besetzung soll solistisch sein, kann aber bei den Streichern (und wenn die Klangbalance zum Chor dies wunschenswert macht) zu einem kleinen Kammerorchester erweitert werden. Der Charakter der Instrumente, ihre Techniken und Farben, erlauben mir realistische Klangmetaphern und physiognomische Parallelen - so, wenn das Cello im Duett mit dem Alt die hochmutige Giraffe in grossintervalligen Sprungen deutet, die rasende Geschaftigkeit der Ameise sich in schnellen Violinbariolagen ausdruckt oder die Oboe ein naturalistisches Rabengekrachz horen lasst. Der Zyklus beginnt mit dem Gebet des Noah. Man stelle sich das Gedrange und Geschrei vor, dass die Arche erfullt, die hochgehenden Wogen, den prasselnden Regen, und mitten darin den Urvater Noah, dem sich der Ausruf entringt: Herr, was fur ein Zirkus! Seine Ausbruche korrespondieren mit dem auf- und niederwogenden Streichersatz, bis der Sturm sich legt, die Wogen sich glatten und Noah in der mehrmals gedehnten Phrase Es dauert lange seine Ergebung und Hoffnung ausdruckt. Nach dem pharisaischen Gebet der Giraffe ergreift die Schildkrote das Wort. Ihr Instrument ist die Bratsche. Ihre schnaufende Kurzatmigkeit hindert sie, ihr Gebet zusammenhangend zu sprechen. Der fleissigen Ameise - sie erbost sich sehr uber die Grille, deren Wirtshausmusik sie unterbricht - folgt der Hahn mit hellen und scharfen Tonen. Er ist es, der die Sonne aufgehen lasst; man kann es in dem sich auffaltenden Klang der Coda horen. Der vergessliche Schmetterling taumelt in immer neu variierten Oboenfiguren durch die glasernen Sommerklange von Streicherflageoletts, bis es ihm einfallt, was er sagen wollte: Amen. Das Schwein bekennt sich zu seiner schnuffelnden und grunzenden Natur, die, von den Streichern mit rauhem Bogendruck gezeichnet, in der Coda durch eine stille F-Dur-Kantilene eine sonderbare Verklarung erfahrt. Vor uns die Sintflut ruft der Rabe, und sein durchdringender Oboenschrei ubertont das Wogen und Schwanken der Streicher, die hier Motive aus dem Gebet des Noah wieder aufnehmen. In der darauf eintretenden Stille bieten die Instrumente verschiedene Themen an, die folgenlos verschwinden - um nach dem Altsolo Die Arche wartet sich in einem ruhig-feierlichen a-cappella-Satz mit alternierendem Soloquartett wieder zusammenzufinden und das Werk in reinem Es-Dur beschliessen. Alfred Koerppen.
SKU: M2.MOS-69449
ISBN 9790203755678.
SKU: M2.MOS-69449-60
ISBN 9790203755692.