Format : Vocal Score
SKU: M7.AST-77
ISBN 9790203800774.
SKU: HL.49020861
ISBN 9783254002068. 8.0x9.0x0.649 inches. German.
Norbert Schultze: E- oder U-Komponist? Opern- oder Schlagerkomponist?Genau dazwischen, meint er selbst und beschreibt sein Leben, vom Geburtsort Braunschweig 1911 uber Studium in Koln und Munchen bis zum Studentenbrettel Die vier Nachrichter 1931, dem er unter dem Pseudonym Frank Norbert mit Unterbrechungen 4 Jahre lang angehort - zusammen mit Kurd E. Heyne, Bobby Todd und Helmut Kautner. Dazwischen ist er Opernkapellmeister in Heidelberg und Darmstadt, wird dort 1933 von den neuen Machthabern vertrieben, nach dem Erfolg seiner Oper Schwarzer Peter (Hamburg 1936) jedoch verwohnt und privilegiert, darf wahrend des Krieges Filmmusiken komponieren (u.a. Symphonie eines Lebens) und seine zweite Oper Das kalte Herz. 1945 drei Jahre Berufsverbot. Schreibt danach wieder Musik zu insgesamt 70 Filmen (u.a. 1958 Das Madchen Rosemarie), zu einem Musical Kapt'n Bay-Bay (Hamburg 1950), einer Operette Regen in Paris (Nurnberg 1956), der Fernseh-Oper Peter der dritte (ZDF 1966) und an die 100 Lieder und Chansons, von denen Lili Marleen (1938) ganz ohne sein Zutun weltweite Verbreitung findet. Schultze erzahlt uber seine Librettisten (Walter Lieck, Hans Leip, Fritz Grasshof u.a.) und seine wichtigsten Interpreten: Lale Andersen und Marlene Dietrich (Lili Marleen), Rudolf Schock (Ach, ich hab in meinem Herzen) und Hans Albers (Nimm mich mit, Kapitan, auf die Reise). Er berichtet aus sturmisch bewegter Zeit, fuhrt uns offen und ehrlich durch Hohen und Tiefen seines Lebens, ohne sich zu schonen und ohne eigene Fehler zu verschweigen.Ein hochinteressantes Dokument zur Zeitgeschichte, informativ, unterhaltsam und spannend.
SKU: BR.EB-9414
ISBN 9790004188880. 10.5 x 14 inches.
Das Stuck stellt fur mich einen von verschiedenen Versuchen dar, aus einem streng punktuellen Musikdenken herauszufinden, mit dem ich mich seit meinem Studium bei Luigi Nono identifiziert hatte und dem ich auf meine eigene Weise treu zu bleiben entschlossen war, besonders in jener Zeit, als sich die sogenannte Avantgarde mehr und mehr auf surrealistische Kompromisse mit der burgerlichen Bequemlichkeit einzulassen schien. Die Besetzung - Klarinette, Bratsche und Schlagzeug (Marimbaphon mit Almglocken, Becken, Pauke und Bongos) - gewahrleistete eine homogene Ausgangsbasis der instrumentalen Mittel, von wo aus einerseits eine Art Klang-Gestik - das heisst enger oder weiter verzweigte Tonfigurationen - sich entwickeln liess, wahrend andererseits die Klangdifferenzierung nach innen weiter getrieben werden konnte bis hinein in die bewusstgemachte Anatomie des entstehenden (geblasenen, geschlagenen, geriebenen, gestrichenen, gezupften, getupften usw.) Tones. Zwischen diesen beiden Gegensatzen - Verflussigung des punktuell Gedachten hier und seiner Versteinerung beziehungsweise inneren Aufbrechung, Offnung dort - bewegt sich diese Musik: Gegensatze, die ich in spateren Werken bis in radikale Extreme weitergetrieben habe, wahrend hier das Ganze noch einem eher abstrakt-spielerischen Gesamtcharakter verpflichtet bleibt. (Helmut Lachenmann, 1989) Trio fluido , noch vor dem Schlagzeugsolostuck Interieur I, meinem Opus 1, entstanden, gehort einer Schaffensphase an, die noch streng strukturalistisch gepragt war, in der also ausschliesslich am akustischen Material orientierte Beziehungen und Entwicklungen kompositorisch gesteuert wurden. Was immer in diesem Stuck an Spielerischem einerseits, an Verfremdung und Klangzersetzung andererseits zu finden ist, ergab sich aus der Anwendung von solchen immanent orientierten Gesetzmassigkeiten, war also nirgends Gegenstand von expressiver Spekulation. Formal hat man es mit einer vielfach gebrochenen, aber insgesamt zugleich steigenden und fallenden Kurve zu tun: Auf dem Hintergrund scheinbar lose aufgereihter Abschnitte kehren sich mehr und mehr extreme Materialeigenschaften hervor, schliessen sich zusammen, bewirken insgesamt eine Zuspitzung, die umschlagt in den Kontrast eines statischen, durch innere Fluktuationen belebten Feldes. Dieses zerfasert sich seinerseits bis zum Schluss, wobei hinter den Tonfiguren die Gerauschkomponenten, hinter diesen die Erfahrung von der korperlichen Beschaffenheit des klingenden Stoffes und dahinter die auf solche Weise entleerte Zeit freigelegt, bewusstgemacht und in den musikalischen Zusammenhang eingegliedert wird. Strukturelles Musizieren: Das ist eine paradoxe Vorstellung. In Trio fluido entdeckt und nutzt die Musik selbst diesen Widerspruch. Mit der zunehmenden Auflosung (und zugleich der instrumentaltechnischen Ausuferung im Schlagzeug) schalen sich jene andere Materialwahrnehmung und daran gebundene Expressivitat heraus, die in meinen spateren Werken, zuerst in temA, Air und Klangschatten Ausgangshaltung bedeuteten, um die Reflexion der Bedingungen des Horens und Musizierens ins Horen selbst mit einzubeziehen. (Helmut Lachenmann, 1993) CD: Uwe Mockel, Barbara Maurer, Christian Dierstein CD Montaigne Auvidis MO 782023 Bibliography: Brunner , Eduard: krawall im saal. Eduard Brunner uber seine Erfahrungen mit der Musik von Helmut Lachenmann und die Zusammenarbeit mit dem Komponisten, in: Neue Zeitschrift fur Musik 167 (2006), Heft 1, p. 32f.World premiere: Munich, March 5, 1968.
SKU: HL.49007936
ISBN 9783795702885. German.
Aus festlichem Anlass - dem Ausscheiden des langjahrigen Prasidenten der Hochschule fur Musik und Theater Hannover aus seinem Amt - entstanden, sprengt dieses Buch doch den Rahmen ublicher Festschriften. Die vollstandige Professorenschaft der Musikhochschule lieferte je einen Beitrag zum eigenen Fach, und so sind in dieser Publikation alle wichtigen Lehrgebiete vertreten: Musikwissenschaft und -geschichte, Musikpadagogik, Kirchenmusik, instrumentale Interpretation, Tanz, Medien u.v.a. ebenso, wie dem Jubilar gewidmete Klavierkompositionen neben philosophischen Betrachtungen und besinnlichen Ruckblicken auf gemeinsam Erlebtes.
SKU: BR.KM-2483-07
ISBN 9790004502587. 9 x 12 inches.
Friedrich HolderlinMnemosyne Ein Zeichen sind wir, deutungslos,Schmerzlos sind wir und haben fastDie Sprache in der Fremde verloren.Wenn namlich uber MenschenEin Streit ist an dem Himmel und gewaltigDie Monde gehn, so redetDas Meer auch und Strome mussenDen Pfad sich suchen. ZweifellosIst aber Einer, derKann taglich es andern. Kaum bedarf erGesetz. Und es tonet das Blatt und Eichbaume wehn dann nebenDen Firnen. Denn nicht vermogenDie Himmlischen alles. Namlich es reichenDie Sterblichen eh an den Abgrund. Also wendet es sich, das Echo,Mit diesen. Lang istDie Zeit, es ereignet sich aberDas Wahre. Wie aber Liebes? SonnenscheinAm Boden sehen wir und trockenen StaubUnd heimatlich die Schatten der Walder und es bluhetAn Dachern der Rauch, bei alter KroneDer Turme, friedsam; gut sind namlich,Hat gegenredend die SeeleEin Himmlisches verwundet, die Tageszeichen.Denn Schnee, wie MaienblumenDas Edelmutige, woEs seie, bedeutend, glanzet aufDer grunen WieseDer Alpen, halftig, da, vom Kreuze redend, dasGesetzt ist unterwegs einmalGestorbenen, auf hoher StrassEin Wandersmann geht zornigFern ahnend mitDem andern, aber was ist dies?Am Feigenbaum ist meinAchilles mir gestorben,Und Ajax liegtAn den Grotten der See,An Bachen, benachbart dem Skamandros.An Schlafen Sausen einst, nachDer unbewegten Salamis steterGewohnheit, in der Fremd, ist grossAjax gestorben,Patroklos aber in des Koniges Harnisch. Und es starbenNoch andere viel. Am Kitharon aber lagEleuthera, der Mnemosyne Stadt. Der auch, alsAblegte den Mantel Gott, das Abendliche nachher losteDie Locken. Himmlische namlich sindUnwillig, wenn einer nicht die Seele schonend sichZusammengenommen, aber er muss doch; demGleich fehlet die TrauerIn meinen Holderlin lesen-Stucken ging es mir darum, Wege zu finden, die gewaltigen Sprachstrukturen Holderlins so in die zeitliche Form der Musik zu integrieren, dass sie Funktionen der musikalischen Form ubernehmen, ohne in ihrer Eigenkraft (sowohl akustisch wie auch im Sinne expressiver ,,Deutung) im geringsten geschmalert zu werden. Das hiess zunachst: Sprechen, nicht singen! - Aber das wurde nur bedeuten, dass es nicht um die Musikalisierung von Text geht; ebenso wichtig ist es, dass es auch nicht um melodramatisch ,,erzahlende Musik geht. Sondern: Zwei autonome Kunste durchdringen sich auf diaphane Weise, ohne sich zu uberformen oder auszuloschen; es handelt sich um einen Dialog, nicht um eine Vereinnahmung durch Hierarchisierung.Sind wir uns selbst zu einem ,,Zeichen...deutungslos geworden, wie es Holderlins Anfangszeilen sagen, so erscheinen auch die Zeichen, die wir selber setzen, sich immer mehr einer Deutbarkeit zu entziehen. Mein Stuck, das den vollstandigen Text von Holderlins Mnemosyne integriert, stellt auf seine Weise die Frage nach dem ,,Zeichen. ,,Was ist dies? Klang? Wort? Schrift? Wie sind die Grenzen, die Ubergange, die gegenseitigen Beeinflussungen der einzelnen Zeichenregionen? Was liegt ihnen zugrunde? Worte und musikalische Zeichen bewegen sich im Medium der Zeit; Schriftzeichen erscheinen zunachst als Verraumlichung, aber man muss daran erinnern, dass der Vorgang des Schreibens - wie er in der ostasiatischen Kalligraphie zu hochster Kunst entwickelt wurde - auch zeitlichen Charakter hat. Mnemosyne - die Kraft des Sich-Erinnerns - schafft die Zeichen, indem sie Gestalten durch Wiederholung fixiert und so aus dem endlosen Fluss der wahrgenommenen Vorgange herauslost. Die so entstehende artikulierte Zeit schafft wiederum durch das Wechselspiel von fixierten und sich bewegenden Gestalten das Bewusstsein fur differenzierte Formablaufe. Der Formverlauf meines Stuckes zeichnet solche genetischen Prozesse nach. Der Horer wird schnell merken, dass die Wortzeichen oft einer zuerst erscheinenden musikalischen Klangwelt entspringen (ich stimme Walter Benjamin zu, wenn er sagt, dass die Sprache in ihrer grundlegenden Schicht expressiven - und nicht darstellenden - Charakter hat). Die Schrift auf der Leinwand folgt zunachst den sprachlichen Aktionen der Stimme, erhalt dann aber auch eigene Teile der Form zugeteilt, in der sie sich als autonomes Zeichen darstellt. In der durch die drei Strophen Holderlins notwendigerweise dreiteiligen Gesamtform gibt es immer wieder Abschnitte, in denen entweder das musikalische Geschehen oder die Sprachzeichen des Gedichtes oder das Sich-Schreiben der Schrift im Vordergrund stehen; der Komponist versteht sich also hier auch als ,,Zusammensetzer der in unserer Wahrnehmung so verschieden besetzten Zeiten des Schreibens, Sprechens und Musikhorens. Es bilden sich im Verlauf des 40-minutigen Stuckes auch Grenzfalle, wie ,,stumme Musik oder total musikalisierte - ihrer Verstehbarkeit beraubte - Textrezitation. Auch das Singen von Text - in meinen bisherigen Holderlinstucken strikt vermieden - wird als ausserste Moglichkeit gegen Ende des formalen Prozesses zugelassen. An einigen Stellen zeigt die Musik sozusagen direkt auf sich selbst. Es sind Formzustande, die ich in meinem ,,Shir Hashirim als ,,Koan bezeichnet habe: ,,endlose Wiederholungen einer zeichenhaften Konstellation, bei jeder Wiederholung minimal verandert - so wie ein Kalligraph sein Schriftzeichen bei jedem Malvorgang unwillkurlich verandert und neu schafft. Steht im ersten Teil der Grossform der Aspekt des Abstrakten, des Unsinnlichen im Vordergrund, so wird im zweiten Teil Bildhaftigkeit als Eigenschaft nicht nur der Sprache, sondern auch der Musik betont: die Landschaft, halb schnee - halb blutenbedeckt, die der Wanderer ,,zornig durchstreift. Am Ende dieses Teils wird das Schriftbild selber zur Landschaft, die der Leser/Horer durchwandert. Er wird im dritten Teil durch einen Verwandlungsprozess zu den ekstatischen Ursprungen des holderlinschen Dichtens gefuhrt, und damit zur explizit musikalischen Ebene: Die Totenklage um Hektor und Ajax wird zum ,,dithyrambischen Tanz, wie es Holderlins Schlusszeile entwirft: ,,... darum fehlet die Trauer. Es bleibt noch nachzutragen, dass ich den in der Stuttgarter Ausgabe der Werke Holderlins in drei Versionen abgedruckten Text in einer Mischversion verwendet habe: die erste Strophe aus der 2. Fassung, die zweite mit Abweichungen und Widerspruchen aus allen drei Fassungen, und die dritte Strophe aus der 3. Fassung. (Hans Zender) CD:Salome Kammer (voice), Klangforum Wien, cond. Hans ZenderKairos 0012522KAIBibliography:Allwardt, Ingrid: Nach-Lese. Holderlins Gesang im Resonanzraum der Musik Hans Zenders, in: Hans Zender. Vielstimmig in sich, hrsg. von Werner Grunzweig, Jorn Peter Hiekel und Anouk Jeschke (= Archive zur Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, Band 12), Hofheim: Wolke 2008, pp. 43-60.Fuhrmann, Wolfgang: Zender lesen. Die Frage nach dem Zeichen in ,,Mnemosyne, in: ,,Ein Zeichen sind wir, deutungslos. Holderlin lesen, Ikkyu Sojun horen, Musik denken, hrsg. von Violetta L. Waibel, Gottingen: Wallstein 2020, S. 194-211Pragungen im Pluralismus. Hans Zender im Gesprach mit Jorn Peter Hiekel, in: Orientierungen. Wege im Pluralismus der Gegenwartsmusik, hrsg. von Jorn Peter Hiekel (= Veroffentlichungen des Instituts fur Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt, Band 47), Mainz u. a.: Schott 2007, pp. 130-137.Mosch, Ulrich: Ultrachromatik und Mikrotonalitat. Hans Zenders Grundlegung einer neuen Harmonik, in: Hans Zender. Vielstimmig in sich, hrsg. von Werner Grunzweig, Jorn Peter Hiekel und Anouk Jeschke (= Archive zur Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, Band 12), Hofheim: Wolke 2008, pp. 61-76.Schmidt, Dorte: Erfahrung und Erinnerung. Kompositorisches Material zwischen Klang und Bedeutung in der Kammermusik des spaten 20. Jahrhunderts, in: Mnemosyne. Zeit und Gedachtnis in der europaischen Musik des ausgehenden 20. Jahrhunderts, hrsg. von Dorothea Redepenning und Joachim Steinheuer, Saarbrucken: Pfau 2006, pp. 41-58.Zenck, Martin: Holderlin lesen seiner Stimme zuhoren. Holderlin-Lekturen von Klaus Michael Gruber, Hans Zender und Bruno Ganz, in: Neue Zeitschrift fur Musik 172 (2011), Heft 6, pp. 25-29.Zender, Hans: Zu meinem Zyklus Holderlin lesen, in: Mnemosyne. Zeit und Gedachtnis in der europaischen Musik des ausgehenden 20. Jahrhunderts, hrsg. von Dorothea Redepenning und Joachim Steinheuer, Saarbrucken: Pfau 2006, pp. 26-40.World premiere: Witten (Wittener Tage fur neue Kammermusik), May 4, 2001.
SKU: HL.49017964
ISBN 9790001152938. 9.25x12.0x0.325 inches. German.
Es war 1996, als mir Christoph Poppen, der damalige Leiter des Munchener Kammerorchesters, von einem kuriosen Konzert in Munsing (Ammerland) erzahlte: wahrend eines seiner Konzerte mit dem Orchester in der dortigen Kirche gab es, fur alle hor- und sichtbar, eines der grossten Unwetter, das die Region je gesehen hatte. Dabei schlug der Blitz ein in eine Art Wahrzeichen des Ortes, eine mehrere Jahrhunderte alte Linde. Unter den Zuhorern damals: die dort lebende Dichterin und Schriftstellerin Diana Kempff. Sie war unmittelbar erschuttert vom Tod der Linde und schrieb unter diesem Eindruck einige Gedichte. Christoph Poppen wiederum war - wie in vielen anderen Zusammenhangen auch - genialer Vermittler und stellte alsbald den Kontakt zu mir her. Die Idee: am Ort des Geschehens, in der Munsinger Kirche, solle ein Jahr spater die Urauffuhrung einer Art Requiem fur diesen Baum, der so vieles 'gesehen' hatte, erklingen. Im Rahmen der Holzhauser Musiktagen mit den Texten von Diana Kempff und meiner (noch zu schreibenden) Musik.Es gab bald eine wunderbare, sehr intensive Begegnung von Diana Kempff und mir, bei der sie etwas fur Schriftsteller nicht gerade Typisches tat: sie stellte mir frei, aus den vorliegenden Gedichten nach Belieben lediglich Teile, sogar nur Zeilenfragmente zu verwenden und auch die Reihenfolge nach meinen Bedurfnissen anzuordnen und zu gestalten. Sie begriff sofort (und wunschte!), dass durch die Musik ohnehin etwas Drittes, etwas ganz Anderes entstehen wurde. Die Tatsache, dass wir Monate spater eine sichtlich bewegte Diana Kempff auf die Buhne holen durfte, freute uns alle besonders. Ihre Lyrik ist Ausdruck einer offenkundig zutiefst gequalten Seele und kommt uns oft wunderlich-versponnen entgegen. Einer zerbrechlichen Zartheit steht eine bisweilen fast brutale Harte unversohnlich gegenuber. Das Schubert'sche 'Fremd bin ich eingezogen' gilt fur sie in besonderer Weise und aussert sich in ihren Versen in einer Nahe zu allem Fremden (trotz des gleichzeitigen manischen Umkreisens des Eigenen und der eigenen Erinnerung), Abseitigen und auch (bei aller gleichzeitigen Skepsis) Ubernaturlichen. Dieses geisterhaft-spukige Element versuchte ich durch meine Textauswahl und mit musikalischen Mitteln in diesen nun 'Sieben Abgesangen' zu verdeutlichen. Das erste Stuck ist eine karge Studie uber das Verrinnen der Zeit, das Nichts; das Zweite beschwort den Regen (den heilbringenden) herbei, der dann spater - wenngleich mit entsetzlicher Wirkung - auch kommt. Den dritten Abgesang habe ich 'Tanz der toten Seelen' betitelt; es ist ein Zwiefacher, der jedoch durch seine duster-halbseidene 'Wiener' Chromatik alles Liebenswurdig-Oberbayerische langst verloren hat. Das klanglich vielleicht avancierteste und dichteste Stuck ist der vierte Abgesang, der ganz aus der Perspektive der Linde selbst erzahlt wird. Der funfte Abgesang zu den Worten 'Und wenn der Tod so kommen mag' ist im Stile einer traurigen Volksweise bewusst schlicht gehalten. Wahrend der sechste Satz in seinem expressionistischen Gestus nicht ungefahrlich das Monodram streift, ist es schliesslich die Seele (die ausgehauchte, die weiterexistierende?), die wortlich den letzten Abgesang uber die Baume und die Seelen pragt. Diana Kempffs Gedichte, der Enthusiasmus Christoph Poppens, die phantastischen Urauffuhrungs-Interpreten, allen voran die Sangerin Juliane Banse, haben mich zur Komposition dieser 'Sieben Abgesange auf eine tote Linde' angeregt.Die 'Sieben Abgesange' sind nunmehr auch eine Erinnerung an die erst jungst verstorbene Diana Kempff. Jorg Widmann,im Juni 2008.
SKU: BR.EB-9225
ISBN 9790004185032. 9 x 12 inches.
,,Ein Wandersmann ... zornig ist die Nummer V meines Zyklus ,,Holderlin lesen. In diesem Zyklus setze ich mich mit der Sprache Holderlins auseinander, ohne sie im alten Sinn zu ,,vertonen; sie tritt vielmehr als gesprochene Sprache in ihrer Eigenstandigkeit einer dazu eher kontrapunktisch konzipierten Musik gegenuber. Im ,,Wandersmann schweigt zunachst die Sprache, und der Schwerpunkt des Stuckes wird von einer erst langsamen, dann rhythmisch bewegten Akkordeonmusik gebildet, dagegen zieht sich die Musik gegen Ende des Stuckes immer mehr in Schweigen zuruck, wahrend die Sprache in ihrer vollen Prasenz dominiert. Das sprachliche Material besteht aus zwei spaten Fragmenten Holderlins, die ich als sehr aktuell empfinde. Man kann in ihnen eine Klage uber die misslingende Demokratie heraushoren, und ebenso eine Mahnung, das Unverfugbare und nicht Verwertbare der Kunst zu respektieren. Das Stuck ist fur Teodoro Anzellotti geschrieben, der sich der Aufgabe einer gleichzeitigen Ausfuhrung des instrumentalen und sprachlichen Anteils stellt. (Hans Zender, 2013)World premiere: Stuttgart, February 8, 2013.